St-Maurice (hba) Oktober 2019: Reflexive Praxis ist keine lehrspezifische Aktivität. Die Ärzte Niquille und Suppan von den Universitätskliniken in Genf präsentierten an der «conférence-débat» ihr Praxisanalyse-Modell, welches für die Weiterbildung und informelle Bildung im Bereich der Notfallmedizin nötig ist. Sie spannten den Bogen von der Notfallorganisation beim Empfang eines Anrufs an die Zentrale 144 bis hin zur Behandlung eines Patienten vor Ort oder im Spital.
Die Besonderheit der Notfallmedizin besteht darin, den Arzt ohne seine üblichen Anhaltspunkte aus dem Krankenhaus zu schicken und unter dem Notfalldruck lebensrettende Entscheidungen zu treffen. Bei seiner Tätigkeit innerhalb des Mobilen Notfall und -Wiederbelebungsdienstes (SMUR) kann der leitende Arzt auf einen interprofessionellen Ansatz (Anwesenheit verschiedener Notfallfachkräfte) zurückgreifen. Dies trägt zur Entwicklung der Fähigkeiten jedes einzelnen Hilfsakteurs während der kontinuierlichen Schulung und Intervention bei. Die an der Konferenz vorgestellten Beispiele zeigen die Notwendigkeit, schnell rechtliche (voraussichtliche Patientenanweisungen) und ethische (Fairness und Sinnhaftigkeit der Behandlung) Kenntnisse einzuholen und gleichzeitig relevante Informationen aus dem medizinischen Wissen und den in der Situation gesammelten Daten zu erhalten.
Die Innovation im Rahmen des Genfer SMUR besteht darin, die Patientenbesprechung zu nutzen, um eine Kultur der Praxisanalyse zu schaffen und die Entwicklung von Kompetenzen zu unterstützen. Zu diskutierende Themen sind bei der Analyse Erfolge ebenso wie teilweise schwerwiegende Fehler. Jede Intervention wird in der morgendlichen Teambesprechung präsentiert. Die Reflexion der Intervenierenden wird von den Oberärzten analysiert. Die Daten werden überprüft, geprüft und durch «Was wäre wenn»-Ansätze und alternative Szenarien hinterfragt. Die Praxisanalyse wird mit empirischen (Krankenhausuntersuchungen) und wissenschaftlichen (Forschung von klinischen Studien auf Referenzdatenbanken) Daten verglichen.
Die «conférence-débat» zeigte ein Beispiel für die Analyse institutionalisierter Praxis. Die Stärken des Genfermodells sind das interprofessionelle Umfeld, die systematische Vorgehensweise, die Umsetzung im Team und die Unterstützung der beruflichen Entwicklung der Mitarbeitenden. Das fachfremde Beispiel liefert dadurch durchaus mögliche Handlungsoptionen in der Praxisanalyse von Lehrpersonen.
Foto : v. l. n. r., Prof. Isabelle Truffer Moreau, PH-VS, Prof. Hervé Barras, PH-VS, Dr. Marc Niquille, HUG, Dr. Laurent Suppan, HUG und die Lehrbeauftragte Nathalie Blondel, Haute École de la Santé La Source.